Menü überspringen

Dies ist ein Archiv, die aktuelle Website ist www.psb24-laufteam.de.

Berichte & Ergebnisse 2015

Ein unbeachtenswertes Jubiläum

Beitrag von Horst Matznick.

Besonders gefeiert werden alle Null-Geburtstage, Hochzeiten, wie die Grüne. Silberne, Goldene und wer viel Glück hat, weitergehend. Nicht zu vergessen Jahresbestandsdaten von 25, 50, 75 und noch mehr Jahren. Gar in die Hunderte und Tausende von Jahren gehen geschichtliche Anlässe, derer es zu gedenken oder nachträglich zu feiern gilt.

Im aktuellen Falle stand eine 60 heran. Was sagt uns das? Eigentlich nichts. Diese Zahl zeigt oft genug den ziemlich bald eintretenden Wandel in die Nichtberufstätigkeit an. Manche sagen ja Rentendasein oder Ruhestand. Was für ein Unsinn. Dem täglichen Entsagen des Antritts auf der Arbeitsstelle stehen gleichwohl liegengebliebene, längst überfällig gewordene Privatarbeiten gegenüber, die unbedingt erledigt werden müssten. Nur ist dafür niemals ein Jubiläum maßgebend, sondern lediglich der eigene Antrieb.

Um die letzten vier Worte aufzugreifen und die Zahl 60 in Erinnerung zu rufen: die 60 (säckzisch….ääh sechzig) - nur Eingeweihte wissen das Wortspiel zu deuten - stand bei mir just in diesem Frühjahr 2015 heran. Nicht Lebensjahre, weil ich mich , wie andere betagte Leute auch, niemals zurückbeamen könnte. Selbst wenn das so möglich wäre, werden Lebensinhalte immer noch von dem bestimmt, was einem der eigene Kopf gepaart mit Verstand, Bauchgefühl und natürlicher Beweglichkeit sagt. Die 60 in Verbindung mit meinem Sport. Laufen - ziemlich weit. Manche sage: verrückt. Ich sage: selbst auferlegte (s) Freude und manchmal auch Leid. Ich spreche bei mir von 33 Jahren faszinierendem Marathon laufen. In dieser Zeit ist es nun so weit gekommen, dass eben die 59. Wiederholung meines allerersten Laufes über diese Distanz heran stand.

Er fand in einer mitteleuropäischen Hauptstand statt, deutschsprachig, mit Lebensqualität; Originalität, der Zukunft gegenüber aufgeschlossen und trotzdem wohltuend auf das Geschichtliche bedacht. Na, welche Stadt an der Donau gelegen könnte das wohl sein? Aber ja! Es gibt nur ein unverwechselbares Wien und dahin zog es mich samt Gattin in diese reizvolle Stadt zum dritten Mal. Nicht zuletzt auch wegen unserer Freunde vor Ort, mit denen wir den beiderseitigen Kontakt Wien/Berlin oder umgekehrt seit Jahren mit stets freudigem Wiedersehen feiern. Dazu gerade jetzt 60. Der 32. VCM (Vienna City Marathon), ohne Schnörkel, ohne viel Reklame- oder Sponsor-Vorsatz. Lediglich die StartNr. trug einige Aufdrucke.

Die Querschnittssumme meiner Brustverzierung betrug 20 (StartNr. 5663), genauso wie es die Gradzahl auf dem Thermometer anzeigte. 20° C, ganz wenig bedeckt, auffrischende Winde, stellenweise „brutale“ Sonne. Ein Fest für Zuschauer, nicht unbedingt für Läufer und Läuferinnen. Wien hat zu den internationalen Größen der Marathon-Veranstaltungen inzwischen aufgeschlossen, nicht umsonst treten hier renommierte Race-Direktoren wie Mark Milde aus Berlin vor die Mikrofone und Kameras.

Rapide steigende Teilnehmerzahlen sprechen eine eindeutige Sprache. Wien ist inzwischen wer. So etwas kommt nicht von ungefähr, das weiß wohl jeder. Auf Emsigkeit und vor allem auf Rührigkeit verstehen sich die charmanten Wiener vortrefflich. Wenn gleich so um die 9.000 Marathonis gemeldet hatten, so machte die Gesamtsumme aller Teilnehmer immerhin 42.000 aus. Wie das? 22.000 Halbe plus 1.200 Teams, die zu viert eine Staffel bildeten (also 4.800), dazu Mini- und 10 km-Läufe, Na, bitte, die Kasse klingelte. Ja, ja, der Kommerz lässt auch hier grüßen.

Voll war es an der Reichsbrücke gleich neben dem riesigen UN-Trakt. Obwohl fast auf Körperkontakt standen, gab es kein rüdes Geschiebe oder Drängeln. Wohl lag es an der Musik im Walzertakt. Das gehört zu Wien wie der unschlagbar originale Kaiserschmarrn am Tag zuvor, der bereits im Vorfeld zum Speichelsturz animierte. Natürlich nicht ohne Marillen- oder Zwetschgenmus. Aaah . Beim Start sollte alles sinnvoller Weise verdaut sein, denn wahre Körperfülle ist dem Lauf eher hinderlich.

Georg und ich standen im gleichen Block. Nr. 3. Er lief den Halben, obwohl für den Vollen gemeldet. Das ist möglich, selbstverständlich mit richtiger Wertung, wenn alle Durchgangszeiten korrekt angezeigt werden. Ich stand für den Vollen, den bewussten 60. Geduld war gefragt. Die 9°°Uhr Startzeit hieß noch lange nicht, dass etwas in Bewegung kommt. Es dauerte. Wir brauchten gute 14 Minuten ehe unsere Anspannung gewichen war und wir den Startstrich endlich überschritten. Laufen? Na, ja, es war mehr ein Herumgestochere, so nach dem Motto „Wo ist die Lücke?“ Das kostete Kraft und an Rhythmus war nicht zu denken. Das sollte sich alsbald bemerkbar machen. Inzwischen wurde es langsam heiß, weil die Wolken der kräftigen Sonne wichen. Dazu kam eine völlig unerwartete Demotivation, um nicht von Unlust zu sprechen. Bei km 15 hatte ich irgendwie schon die Nase voll. Nein, es war plötzlich nicht mehr mein Tag. Aber vielleicht bildete ich mir dies nur ein, denn die spärliche Vorbereitung auf dieses Rennen hätte mich läutern müssen. Die 14 Tage vorher gelaufenen 1:50:00 beim Halbmarathon in Berlin wiegten mich in Sicherheit, die 4 Std.-Mauer zu unterbieten. Aber weit gefehlt. Also machte ich auf Nummer sicher: gesund ankommen, das war ich meiner besten Frau und schließlich mir selbst schuldig. Es war sozusagen ein Pflichtlauf, der ab km 25 zum ersten Gehen frei nach Galloway führte. Gehen, laufen usw. Eigentlich überhaupt nicht meine Art, aber in der Not schmeckt auch trockenes Brot. Mit dieser Einstellung ließ ich alles was zum weiteren Frust hätte führen können beiseite und sehnte nur noch das Ziel herbei. Und es kam tatsächlich.

Georg hatte nach 1:56 sein Rennen beendet. Nicht so schlecht, doch auch nicht so gut. Er hatte bereits seinen Stern mit Bändchen in der etwas kleineren Ausführung. Meine Analyse lasse ich mal beiseite, obwohl die 1:58 beim Halben schon eine deutliche Schwäche zeigten. Es war eindeutig das Omen für die zweite Hälfte, die meist bedeutend schlechter als die erste ist. Ich gebe es offen zu: ungenügende Vorbereitung und falsches Vertrauen auf eine gelaufene, vermeintlich gute Zeit beim Halben sind einfach zu wenig. Mindestens 5 bis 6 lange Vorbereitungsläufe werden künftig nicht mehr ausgelassen. Die Leiden des alten M. müssen sich nicht auf derart grausame Weise wiederholen.

Ist der Ring (Prachtstraßenfolge) in Wien erreicht, kommt Hoffnung auf, Nur noch ein zwei Km rechts und um die Ecke zum Heldentor, das ist das i-Tüpfelchen. Da hüpft selbst dem Demoralisiertesten wieder das freudige Herz. Hurra, geschafft, die Einlaufgasse mit blauem Grund, noch ein paar Meter und die Swarowski-Diamant-Stern-Belohnung samt Band wird dir um den Hals gehängt. Alles ist vergessen, die Enttäuschung relativiert sich angesichts des unerwarteten Altersklassensieges M 75, zumal der Zweite erst 32 Minuten nach mir einkam. Geschmeichelt. Es waren nur 6 Finisher zu vermelden. So richtige Konkurrenz war das nicht, aber immerhin sehr international.

Heute, am Tag danach, ist alles Geschichte. Wir sitzen auf unseren Fahrrädern und radeln entlang der inzwischen längst wieder blauen Donau gen Bratislava (ehemals Pressburg)/Slovakien und sind glücklich; alles andere tritt in den Hintergrund.

Eingeloggte Benutzer können Kommentare hinterlassen.