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Berichte & Ergebnisse 2007

Spartathlon 2006/2007 - Leistungskurs kriechisch oder das kleine Chinesikum - Prolog und 1. Akt

Beitrag von Shakal Ryan.

SPARTATHLON (2006) 2007

Leistungskurs kriechisch oder – das kleine Chinesikum

--- Tragikomödie in 007 Akten ---

„Das Gesetz Spartas: Niemals zurückweichen, niemals aufgeben – denn der Tag auf dem Schlachtfeld ist der größte erreichbare Ruhm.” (aus dem Hollywood-Kinofilm „300”)

Prolog - 332

Bei Zeus, war das bewegend. Langsam, teilweise furchtbar, aber immer bewegend. Dramatisch, wie es in Griechenland schon der Wortherkunft nach Sitte ist. Manchmal tragisch, oft auch komisch.

300. So wenige mutige Hopliten sollen vor knapp 2500 Jahren Spartanerkönig Leonidas unterstützt und dennoch das unüberschaubare Perserheer unter erbarmungslos sengender griechischer Sonne und Darbringung etlicher Opfer -bisweilen blutig- am Thermopylenpass zurückgeschlagen haben. Welch eine Schlacht. Was für Helden. Großes Kino drumherum heute. Brutal – doch schön erzählt. Ob es wohl so gewesen ist?

332. So wenige mutige Athleten sollen anno 2007 die unüberschaubaren knapp 250 Kilometer zur überlebensgroßen Statue des Spartanerkönig Leonidas unter erbarmungslos sengender griechischer Sonne und Darbringung etlicher Opfer -bisweilen blutig- am Sangaspass nach Vorbild des antiken Profiläufers Pheidippides nonstop in maximal 36 erlaubten Stunden zurückgelegt haben. Welch eine Schlacht. Was für Helden. Großes Kino drumherum erneut. Brutal schön zu erzählen auch das. Alleine: so ist es nicht ganz gewesen. Aber fast. Denke positiv. Immerhin haben sie es alle versucht. Die 332. Von Athen nach Sparta. Und wie bei den antiken 300 wurden einige für ihren Mut reich mit Ruhm bekleckert. Nur 125, um genau zu sein. Mindestens 207 auf der Strecke Gebliebene werden es wohl wieder versuchen. Einem inneren Zwang folgend versuchen müssen. Irgendwann in den nächsten 2500 Jahren.

Die Geschichte des ausdauernden Nachrichtenboten, der von der Schlachtschaft Marathon 38km nach Athen eilte, eine letzte Meldung hauchte und tot umfiel, wurde auch schön erzählt. Alleine: auch so ist es nicht gewesen. Genau genommen, wurde diese Geschichte gar nie nie nicht erzählt, lediglich die Geschichte der -chronologisch vorgelagerten- epischen Fußreise des Herrn Pheidippides von Athen nach Sparta (und etwas später nach einer Pause zurück) wurde vom Historiker Herodot einigermaßen verlässlich für alle Zeiten erzählt und notiert. Der Rest erscheint ziemlich frei erfunden. Immerhin könnte jene Fußreise erklären, warum derselbe P. -schwer bewegt- kurz darauf nach dem Auslaufen von Marathon kommend am Areopag-Hügel unweit der Akropolis tragisch das Zeitliche segnete. Sofern es überhaupt derselbe P. war.

Ich bin auch nicht mehr Derselbe. Diese kaum fassbare spartanische Veranstaltung, die Menschen so wundersam auf Basiswerte zusammenfaltet, nimmt emotional derart gefangen, dass die Gedanken auch Tage, Wochen, ja Monate später um dies eine dramatische Landschaftsbühnenspiel kreisen ... und kreisen werden. Positiv. Wieder und wieder wird die Schlacht in der Erinnerung geschlagen. Der Opfer gedacht, Pläne gemacht. Für die nächste Schlacht. Zweitausendacht. Auch wenn ich nun schon zwei mal (2006 und 2007) zu den reich Belohnten gehöre: wer diese Belohnung kennt, möchte immer wieder daran naschen.

Denn es gibt Marathon. Es gibt Ultramarathon. Es gibt Duathlon und es gibt Triathlon. Und dann gibt es Spartathlon. Den Königslauf. Die Neo-Olympiade. Hier steht warum.

Erster Akt – Zur Rallye um Schlafgemach

Spartathlon? Das ist in etwa wie Ironman mit zusätzlichem Halbmarathonanlauf. Und kaputtem Fahrrad. Dabei ist anfängliches Baden im Meer, anders als z.B. beim Ironman auf Hawaii, verboten.

Positiv gedacht ist der Spartathlon eigentlich nichts anderes als ein netter 24-Stunden-Nonstoplauf unter Freunden aus aller Welt. Auf einer großen abwechslungsreichen, fast durchgehend asphaltierten, überwiegend flachen, nicht ganz geschlossenen 246-km-Runde, bei angenehm trockenen Temperaturen an der Akropolis gestartet, von zahlreichen Helfern alle durchschnittlich 3,3 km vom Straßenrand aus euphorisch und herzlich betreut. Eigentlich. Weil aber die große Runde aus quasi sechs aneinandergereihten Marathons von kaum einem in 24h zu schaffen ist, gibt es noch bis zu maximal 12 Stunden Bonuszeit; ganz wie man es mag und braucht. Die meisten bräuchten viel mehr. Wer redet da von Zeitdruck!? Bis zum Nest Nestani, jahrelanges Trainingsgebiet des vierfachen Siegers, Streckenrekordhalter und Ultramarathonlegende Yiannis Kouros (er ist in der Nähe geboren), sind es z.B. 24h30min für 172 km, die zur Verfügung stehen. Um der bedrohten Läufermuskulatur Hilfe anzubieten, wird das Asphaltband auf dem Weg dorthin ab und zu über Hügel und auch mal einen hohen Berg geführt, mit Schotterwegen und einigen alpinen Trails bis auf 1200hm über dem Meer hinauf unterbrochen, zusätzlich für das Seelenheil vor allem zu Beginn bei Athen und am Ende hinter Nestani mit reichlich enthusiastisch hupenden Schwerlastkraftfahrern, gerne in Zweierreihe grüßend, ausgestattet. Diesen Vorteil hatte der alte P. nicht. Aber weil es doof ist, Nachrichten dorthin zu tragen, wo man hergekommen ist, hat er wenigstens noch dafür gesorgt, dass die große Runde auf eine weite Sichel aufgebogen wurde. Peloponnes total. Heimat Olympias.

Warum tut man sich das an?! Eine Stunde an der Rezeption eines Hatnichtwirklichviersterne-Hotels im Athener Badevorort Glyfada am Vorvorabend auszuharren, nur um zu erfahren, dass man in ein ganz anderes 2km entfernt mit vollem Gepäck zu Fuß erreichbares Haus einchecken möge, gehört zum Spartathlon inzwischen ebenso wie die nächstmorgendliche Rezeptionsaufforderung im Ausweichquartier, doch bitte wieder Richtung Rezeption des Ursprungshotels auszuchecken; um von dort aus nach erneuter Wartezeit in der Lobby im Extremfall noch ein drittes Hotelbett an der vielbefahrenen Hauptstraße probeliegen zu dürfen. Die Zimmerlisten werden nämlich oder auch startnümmerlich, mit viel handschriftlicher Akribie, typisch griechisch chaostheoretisch in DIN A3½ angeordnet, als wäre der Einsatz von Computern aufgrund der Rennhistorie veranstalterseits unerwünscht. Oder als wäre genau das die im vorläufigen Programmablauf erwähnte Sightseeing-Tour. Von Hotel zu Hotel. Bewegend in jedem Fall. Keep movin'. Praktische letzte Übungen für den Ernstfall, das Rennen. Denke positiv. Immerhin wird diese Hotelshow von einer der beiden ganz großen griechischen Reedereien mit weit über 100.000 euro satt bezuschusst. Für 1 Woche Vollpension samt eigentlichem Lauf und sämtlicher Bustransporte werden gerade einmal 250 euro pro Athlet verlangt. Und jede Menge Gelassenheit. Das Wiedersehen und Erinnerungen Austauschen mit alten und das Kennenlernen einer Menge von neuen Lauffreunden aus über 30 Ländern sämtlicher Kontinente wiegt am Ende alles auf. Olympische Grundgedanken der Neuzeit. Darum tut man sich das an.

Marcel Heinig, dieses personifizierte Abenteuerdiätprogramm, um dessen Erfahrungen sich eigentlich längst sämtliche Gesundheitskassen der Republik mit Millionenvertrag reißen müssten, hat vom Vorjahr noch eine Rechnung offen. Inzwischen ist der Cottbusser Mittzwanziger deutlich schneller als sein Gewicht, die Chancen für seine rechtzeitige Ankunft in Sparta beim großen Jubiläumsrennen stehen also gut.

Ein Berliner Mittvierziger vom selben Zimmer sinkt im Four Seasons Heißtnurso-Hotel vor dem Frühstück erst einmal im bequemen Lobbysessel zusammen und glaubt nicht, dass es Sinn hat, auch nur zu starten. Puls kaum noch fühlbar, Infektquote laut Zeitungsberichten der Bundeshauptstadt aktuell dafür umso mehr. Ganz bestimmt hat er sich vor dem Abflug noch irgendwo angesteckt. Murphy's Law. Vor wichtigen Wettkämpfen ist ja immer was. Schenkelzwicken, Hüsterchen, Zeh geprellt. Akute Unwohlbarkeit. Oder die Oma hat Durchfall. Tausend Gründe, nicht zu starten. Nenn mir einen, es doch zu tun. Warum tut man sich das an?!

Ich bin wohl nur unterzuckert, zwei Stunden später wieder zuversichtlich, erstaunlich reibungslose Startnummern- und Unterlagenausgabe im Haupthotel tun ihres dazu. Welche Überraschung! Der Jubiläumstüte „25 Jahre Spartathlon” liegt dieses Mal nicht nur ein schickes Polohemd bei, sondern auch ein edles reich illustriertes griechisch-englisches Buch zur antiken Boten- und modernen Renngeschichte, zufällig garniert mit einem schönen Bild jenes Mittvierzigers, wie er 2006 durch Olivenhaine dynamisch gen Sparta joggt. Tolle Momentaufnahme, ewige Erinnerung. Danke. Darum tut man sich das an.

Die Vollpensionsküche im Hotel London ist reichhaltig, wenn auch eher englisch als griechisch. Salz und Pfeffer bitte. Nachschlag gibt es fast immer problemlos. Insgesamt 75 Checkpoints auf der langen Reise nach Sparta machen für unterwegs entsprechend zuversichtlich. Persönliches Sonderessen, Kuscheltiere, Wechselkleidung, sinnvolle und sinnlose zusätzliche Ausrüstung wird mit den sogenannten drop-bags zuverlässig an jeden gewünschten Streckenpunkt angeliefert. Sogar ins Gebirge. Im London-Ballsaal schlucken voluminöse graue Plastiksäcke alles weg, was umtriebige Furchtbarweitläufer unterwegs zu benötigen glauben. Im Sack Nr.47 sind bald so viele Tüten mit Jacken verstaut, im Sack Nr.74 so viele Nationalfähnchen, dass dafür Reservesäcke herangeschafft werden müssen. Alleine daraus ließe sich an dieser Stelle ein eigener Akt gestalten.

Fortsetzung folgt

Kommentar von Shakal Ryan, 29.11.2007, 09:45:

Spitze, Shakal...

Kommentar von Joachim Dirks, 29.11.2007, 10:18:

...bitte schreib schnell weiter. Ich kanns kaum erwarten weiter zu lesen...! Joachim

Bild: Eindrücke vom Spartathlon - Belebte Strassen, beliebtes Buffet, begeisterte Bevölkerung

Kommentar von Shakal Ryan, 29.11.2007, 13:20:

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