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Berichte & Ergebnisse 2007
Spartathlon 2006/2007 - Leistungskurs kriechisch oder das kleine Chinesikum - 5. Akt
Beitrag von Shakal Ryan.
Fünfter Akt – Weinkönige im Taxi
Der allerletzte Kilometer über die Prachtstraße zur Statue gereicht zum Triumphzug. Zieleinläufe beim Spartathlon gelten auch unter weitgereisten erfahrenen Ultramarathonläufern als die beeindruckendsten überhaupt. Mit Recht! Im letzten Jahr hatten hunderte, wenn nicht tausende Schaulustige zu später Stunde in den Kafenions gesessen, hatten -wie es schien- alleine mir zugeklatscht und gejohlt. Ich erreichte seine Majestät tatsächlich nur unter Tränen. In diesem Jahr ist es selbst den Spartanern zu heiß, außerdem bin ich über 3 Stunden früher dran. Der Applaus beschränkt sich entsprechend erst einmal auf Laufkollegen, deren Betreuer und Rennoffizielle; sowie vereinzelte örtliche Würdenträger. Zum Ausgleich wird es später ein kleines Erdbeben geben.
Da !! Die Statue !! Dahinter das internationale Fahnenmeer. - Küss den Fuß, gnä'ger Herr!
Kameragewitter nach 32std47min. Ein Olivenzweig. Und was für ein schönes Zielpräsent: eine massive safranfarbene Acrylplatte mit den vier stilisierten Läufern der Panathenäischen Spiele, dem größten religiös-politischen Fest im antiken Athen. Quasi wie die typische antike Preisamphore, nur in einer zeitgemäßen unkaputtbaren und transportablen Variante – sprich: ohne die Amphore. Zusätzlich gibt es das obligate Finisher-Shirt. Geld gewinnt hier niemand. Niemals.
Die an der Leonidas-Statue von überaus bezaubernden griechischen Weinköniginnen gereichte Wasserschale wollte ich mir im Vorjahr in Unkenntnis der genauen spartanischen Sitten noch über den Kopf gießen. Das Wasser aus dem nahen Fluss ist jedoch zum Nippen da. Symbole. Und wie im letzten Jahr Weinkönige, die gerade 246km von Athen nach Sparta laufend hinter sich gebracht haben. Nonstop. Nein, wirklich, das hält ja kein Mensch aus. Diese Dramatik. „Der Tag auf dem Schlachtfeld ist der größte erreichbare Ruhm.” Darum tut man sich das an! Bei Zeus. Darum!
Ich weiß, das kannst Du nicht versteh'n.
Für den Abend sind nach 20 Uhr am großen Marktplatz großer Empfang und noch größere geradezu legendäre Feierlichkeiten angesetzt. Das Erdbeben. Damit die Läufer dann wieder einigermaßen manierlich ausschauen, kommt es im Zielbereich zunächst zu einer letzten Ölung. Vor dem Sanitätszelt etwas abseits der Statue ziehen (an)mutige Masochistinnen die Schuhe und Socken der Läufer aus und tauchen die geschundenen Glieder in ein warmes olivenseifiges Wannenbad. Herrlich. Vom Brötchen klaube ich nur Schinken und Käse, dazu eine letzte Cola, damit es mein Kreislauf noch bis auf das Hotelzimmer schafft. Für die 300m dorthin ist ein Taxi zuständig. Socken und Schuhe werden für die kurze Fahrt hermetisch in Behältnisse verpackt, mit denen die Griechen sonst vermutlich ihre atomaren Endlagerstätten beschicken.
Wahre Dramatik bietet sich dem unbedarften Beobachter dann vor den Türen des Sparta Inn, welches den Hauptanteil der Läufer beherbergt. Beherbergen soll. Wie komme ich dafür bloß aus diesem Taxi heraus? An den Füßen befinden sich rosa Pantinchen aus Papp, Plüsch und Federboa, vermutlich gestiftet von einer fünften Klasse des örtlichen Mädchengymnasium. Maximal Größe 40. Dazwischen die atomaren Plastiktüten. Da nutzt es auch nichts, dass mich der Taxifahrer in meinen Schühchen wohl für Königin Beatrix hält und generös die Beifahrertür aufreißt. Der rechte Fuß schafft es kaum bis zur Schwelle der Limousine, geschweige denn darüber hinweg. Noch viel weniger der linke.
Minuten später sind Tüten und beide Beine doch noch bis zu den Knien auf der Hotelvorfahrt abgelegt. Nun gilt es, Oberschenkel und den Körperrest schwerpunktmäßig wieder über die Füße zu falten. Pro Läufer stehen dafür durchschnittlich 3 interessierte Zuschauer hilfreich zur Seite. Den Rekord wird dies Jahr ein Italiener aufstellen. Ein Mann hebt den rechten, ein weiterer den linken Oberschenkel an. Ein dritter umgreift die Hüfte vorsichtig von links, ein vierter von rechts. Ein fünfter passt auf, daß der Kopf bei der ganzen Aktion unter der Fahrzeugdachkante durchmanövriert werden kann, ein sechster, dass die Tüten nicht schon vor dem Auspacken explodieren. Die siebte schließlich darf ein Verzweiflungserinnerungsfoto schießen. Zum Heulen. Zum Schießen. Tragisch. Komisch.
„Wahnsinn?! - Das ist Sparta!”
Hotellobby Sparta Inn. Betretene Gesichter über oft noch brauchbarem Laufarbeitsgerät. Glückseliges Grinsen über Schrott. Schulterklopfen. Für die einen wie die anderen. „Na, auch hier!? Und ...?” Bemühte, kaum tröstende Unterstützungsworte für ramponiertes Seelenheil bei Ausgeschiedenen. „Next time ... sure!”
Dritter Stock. Natürlich. Mein Gepäck muss ich selbst aufs Zimmer hieven, mit Betreten des Hotels wird keinem mehr Zucker in den Arsch geblasen. Stattdessen gibt es einen Aufzug. Etwa alle 10 Minuten. Wenn man Glück hat. Wieder muss ich auf mein Bett warten, erreiche vorläufigen Seelenfrieden erst später unter der nicht enden sollenden Dusche. Heiß, kalt, heiß, kalt. Ruhe.
Bloß nicht einschlafen und das Erdbeben verpassen. Um 18h30 klingelt schon der Wecker, letzte Ankömmlinge vor 19Uhr will ich draußen gebührend mitfeiern. 300m dorthin macht 15 Minuten. Nein, die Taxis befahren nur die andere Richtung.
Bild: Ziel an der Leonidas Statue - 2006 mit Bürgermeisterstütze
Kommentar von Shakal Ryan, 29.11.2007, 13:08:
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