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Berichte & Ergebnisse 2006
110. Boston M
Beitrag von Joachim Dirks.
Boston Marathon am 17.4.2006
Endlich war es soweit: nach 17h Flug kamen wir –nach einem kleinen Abstecher in New Jersey- am Freitag vor dem Marathon in Boston an. Das Wetter verhieß Gutes: 15 C und für Montag waren sogar noch geringere Temperaturen vorhergesagt. Das hörte sich gut an; zwei Jahre zuvor mussten die Läufer eine wahre Hitzeschlacht über sich ergehen lassen. Die Tage vor dem Lauf waren schon fest verplant: Cambridge und Boston besichtigen, Startunterlagen abholen und nicht zuletzt möglichst viel vom dem guten Essen der Gegend genießen. Unser Hotel lag nur wenige Gehminuten vom Ziel entfernt und zum Abfahrtspunkt der Shuttlebusse zum Start in Hopkinton waren es auch nur wenige hundert Meter. Besonders Ersteres sollte sich als ein nicht zu unterschätzender Vorteil herausstellen. Ruth, die uns den Lauf „eingebrockt” hatte, war mit Familie angereist. Gemeinsam ging es am Sonntag auf die Marathonmesse. Da unsere Startunterlagen nicht rechtzeitig im Briefkasten lagen, mussten Christiane und ich zum trouble desk und eine Ersatzbescheinigung, basierend auf unserer ersten Benachrichtigung ausstellen lassen. Warum es die erste Benachrichtigung nicht tat, keine Ahnung. Egal, es war wenig Andrang und im Nu hatten wir unsere Unterlagen. Schnell wurde klar, warum am Sonntag so wenig Leute da waren: Die meisten hatten bereits am Samstag ihr T-Shirt abgeholt und so mussten wir mit der Einheitsgröße „L” Vorlieb nehmen. Selbst wenn ich mal eines Tages nicht mehr laufen sollte, dieses Shirt kann mir nicht zu klein werden... Adidas hatte eine riesige Wand aufgestellt und jeder Teilnehmer konnte bei seiner Startnr. einen Grund eintragen, warum er läuft. Eine schöne Idee! Auf der Messe ließen wir uns von den vielen Angeboten an weiteren Läufen verzaubern und stellten uns vor, wohin es als nächstes gehen (ähh: laufen) soll. Doch zunächst war Boston an der Reihe...
Am Montag Morgen begaben wir uns um 7:45 zu den Bussen. Diese waren strikt nach roten und blauen Läufern getrennt. Ruth und Christiane kletterten in einen roten Bus. Ich sah sie noch ins Gespräch vertieft zusammen losfahren. Für sie sollte der Startschuss um 12:30 fallen. Ich fuhr zum blauen Wartebereich und war in der ersten Welle um 12:00 an der Reihe. Der Bus brauchte über den Highway 90 immerhin gute 45 min. "26 Meilen sind doch eine ganz schön lange Strecke", dachte ich. Im Wartebereich war es etwas zu voll, zumal es zumindest dort zu wenig Örtlichkeiten gab. Gegen 10 Uhr wurde die Nationalhymne gesungen. Dazu standen alle auf. Dann wurde weiter relaxt. Es gab ausreichend Essen und Trinken, sozusagen „all inclusive”... Ohne Hektik gingen die Deliquenten (ähh: die Läufer) dann ab 11:10 zum Startbereich, der sehr gut ausgezeichnet und abgesperrt war. Naja, nach 109 Läufen wissen die in Boston halt, wie man so was organisiert. In meinem Startblock kam ich mit einigen ins Gespräch: „Na ja, ich laufe heute zum 5ten Mal. Egal was ich mache, auf der zweiten Hälfte verliere ich immer 5 Minuten”, oder: „ich habe mich mit 2:54 qualifiziert, aber hier plane ich eine 3:30. Die Hügel machen einen fertig” bekam ich zu hören. Gerne hätte ich noch Christiane angerufen und sie gewarnt! Noch mal die Nationalhymne und dann um Punkt 12 Uhr gings los. Der erste km geht wirklich Berg ab, nur nicht zu schnell. War kein Problem, alle taten langsam und nach 2 Miles hatte ich 13:41 auf der Uhr. Gutes Tempo. Km 5 in 20:55. Nicht zu schnell, gewiss nicht. Km 10 ging in 41:38 durch. Eigentlich war alles ok, oder doch nicht? Bis jetzt gab es auf der ganzen Strecke kein einzig nennenwertes flaches Stück. Es ging entweder hoch oder runter. „Rolling hills” habe ich nach dem Lauf in einer Beschreibung gelesen. Tja, NACH dem Lauf, nicht 10 Wochen VOR dem Lauf... 10 Miles wurden nach 1:02:29 durchquert. Da passte dann zum ersten Mal das Gefühl in den Beinen nicht zur zurückgelegten Strecke: Die Oberschenkel hatten Feuer gefangen! Was tun? Rausnehmen. Aber auf welches Tempo? Sub3 sausen lassen? Nein, dazu konnte ich mich nicht durchringen. Es sollte doch flach werden und dann käme doch „nur noch” Hartbreak Hill. Und ab Meile 21 gehts bergab ins Ziel. Also, cruisen so gut es geht und wenn möglich in 2:59:59,99 reinkommen... Soweit der Plan. Den HM durchquerte ich in 1:27:54. Nun war klar, dass sub3 nicht mehr drin sein wird. Die Oberschenkel waren völlig fertig, jeder Schritt tat ein wenig mehr weh. Ständig ging es bergab und wieder kleine Stücke bergan. Ein solches Profil hatte ich noch nicht erlebt. Die nächsten km versuchte ich, möglichst viel Kraft zu sparen. Sogar die College Girls in Wellesley konnten mich nicht ablenken. Zu gerne wäre ich einer der auf den Transparenten zu lesenden Aufforderungen nachgekommen ;-). Bei km 30 hatte ich 2:06:23 auf der Uhr stehen und Hartbreak Hill noch vor mir. Zeitgleich mit mir bog Robert Cheruiyot gerade auf die Zielgerade ein, um in 2:07:14 einen neuen Streckrekord zu laufen. Kunststück, wenn ich Kenianer wäre, wäre ich auch viel schneller... Wir beiden fühlten uns wohl ähnlich, aber ich hatte noch 12 km vor mir, schöner M.... Meine Beine fühlten sich an, als kämen sie frisch vom Holzkohlegrill von Burger King. Jeder Schritt war eine Qual. An Stehen bleiben war zwar zu denken, aber wäre ich wieder los gelaufen? Bei Meile 22,4 stand Volker, Ruths Mann. Ich hielt kurz an uns sprach ihm meinen Respekt gegenüber dem Kurs aus. Er verstand es richtig: „Dann werde ich wohl noch etwas auf Christiane und Ruth warten müssen”, war sein Kommentar. Den Rest will ich mal aussparen. Mit zwei kurzen Gehpausen kam ich nach 3:10:15 doch noch an. Christiane brauchte 3:55:55, Ruth 4:33. Ich denke mal, beiden erging es ähnlich wie mir. Den Abend verbrachten wir gemütlich in einer netten Kneipe und versuchten zu ergründen, was schief gelaufen war. Ich denke, wir (zumindest ich) haben den Kurs unterschätzt. Die häufigen Bergab Passagen und der ständige Wechsel zwischen Berg ab und an sind durch konventionelles Marathontraining nicht zu meistern. Nur ein gezieltes Training für Boston kann einen mit der Strecke versöhnen. Und genau das haben Christiane und ich uns vorgenommen. Kommst Du mit, Ruth?
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